Out of order.

IMG_1065Vor ein paar Tagen bin ich in Santa Fe angekommen. Dort, wo meine letzte Reise endete. Dort, wo die Geschichte, die ich schreibe, enden soll. Genau dort fange ich wieder von vorne an. Mit der unbeirrbaren Hoffnung, fast schon Gewissheit, dass mir hier auch klar werden wird, was ich erzählen will und wie. Es ist kalt, als ich am Flughafen in Albuquerque ankomme, und strahlend klar. „Möchten Sie nicht ein etwas besseres Auto nehmen“, fragt die Frau am Mietwagenschalter, aber das tun sie ja immer. Und dann kostet es mehr. Darauf falle ich nicht herein! Ich nicht! „Es wird schneien“, sagt sie, und ich, stolz und dumm: „Ich bin aus der Schweiz. Ich kann durchaus auch bei Schnee autofahren!“ Und ausserdem wollte ich immer schon einen Fiat 500 fahren. Spielend schaffen wir es nach Santa Fe und ich fühle mich ziemlich gut. Bei einem kleinen Spaziergang durch die Nachbarschaft komme ich mit Nathalie ins Gespräch, einer ehemaligen Moderedakteurin aus Paris, die seit 30 Jahren hier lebt und ein wunderschönes, wenn auch sehr teueres Geschäft in meiner Strasse führt. Sie heisst mich in der Nachbarschaft willkommen, indem sie mir ein Paar leopardengemusterte Cowboystiefel zum halben Preis überlässt. Ein guter Einsteig, denke ich. Beim Abendessen in der Bar des Hotel La Fonda blättere ich im Lokalanzeiger, und was entdecke ich? Einen Intensivworkshop mit den Pionierinnen des autobiographischen Schreibens, Autorinnen, die ich immer schon mal gerne kennengelernt hätte. Und gleich hier in Santa Fe! Gleich übermorgen! Noch am selben Abend reserviere ich mir einen Platz. Wirklich ein guter Einstieg, denke ich.

Am nächsten Morgen wache ich auf und bin eingeschneit. Samt meinem Fiat 500. Und die Heizung ist auch ausgestiegen. Bei minus 14 Grad. Ich beschliesse, schon am Abend vor dem Workshop ins Hotel zu ziehen, welches ja bestimmt geheizt sein wird. Beim Abendessen lerne ich schon ein paar tolle Frauen kennen, unter anderem Theo Pauline Nestor, die den Anlass organisiert hat. Auf ihren Workshop bin ich besonders gespannt, es geht um die berühmte „Outline“, etwas, das ich immer vermieden habe, um mir den Spass am Erfinden nicht zu verbauen. Mal sehen, was ich damit anfangen kann. Ich bin offen für alles, und ich mag Theo spontan, die in ihrer Jugend hat zwei Anarchisten aus der Schweiz gekannt und sogar besucht hat: „Somewhere in the Kanton Aargau, do you know that place? …“ Oh, kleine Welt! Ich bin sehr glücklich, als ich ins Bett gehe, freue ich auf den nächsten Tag, auf die Workshops, auf die neuen Gesichter, Erkenntnisse ….. Freue mich auch darauf, sie am Sonntag mit euch zu teilen.

Doch als ich aufwache, bin ich nicht mehr mich selbst. Eine Monstermigräne hat mich erfasst, etwas, das mir erst drei oder viermal im Leben passiert ist. Schutzengel Doris muss mich abholen, ich schaffe es kaum bis in mein eigenes Bett, wo ich die nächsten 48 Stunden im Dunkeln liege und eigentlich nur noch sterben will. Aber ich sterbe nicht. Am dritten Morgen – heute – wache ich auf und erkenne mich wieder. Wenigstens halbwegs. Es ist Sonntag, erinnere ich mich. Zeit für den Blog. Auch wenn ich keine Erkenntnisse zu teilen habe, ausser denen, die ich geträumt habe.

 

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2 Kommentare

Kommentare

  1. Regula Horlacher meint

    @Milena: Ja – der liebe Gott wendet mitunter perfide Methoden an, um einen von einem Vorhaben abzubringen, ich stehe momentan auch auf Kriegsfuss mit ihm deswegen. Überall wittere ich Fallen, gehe sozusagen mit ausgefahrenen Fühlern durch die Gegend und sondiere vor jedem Schritt mit der ausgestreckten Zehenspitze den Boden. Sehnsüchtig warte ich auf das Wunder, dass diesen unhaltbaren Zustand endlich beendet.
    Ich bin es nicht gewöhnt, untätig auf Wunder zu warten. Normalerweise beschäftige ich mich während des Wartens damit, Katastrophen aufzuhalten, die das erhoffte Wunder zu verhindern drohen. Was für Katastrophen das sind, weiss ich nicht. Ich habe keine Vorstellung davon. Im Traum sehe ich Flugzeugen an, dass sie demnächst abstürzen werden. Ich weiss, dass ich wegrennen sollte und komme nicht vom Fleck.

    Mit meinem Roman geht es auch nicht vorwärts. Anstatt der Sache ihren Lauf zu lassen, klebe ich wieder am Detail und glaube linear von A nach B erzählen zu müssen, dabei weiss ich, dass sich ein solches Vorgehen für diese Geschichte nicht eignet. Ich habe es doch erfahren! Warum wird man nie gescheiter? Oder vielleicht besser: Warum wird man nie gelassener?

    Manchmal habe ich das Gefühl, mein Leben komme mir nur in einer Sache entgegen: Wenn es um meinen Führerschein geht. Seit fünfundzwanzig Jahren bin ich nie mehr am Steuer eines Autos gesessen. Wenn ich mir vorstelle, es tun zu müssen, erfasst mich Panik, doch mein Führerschein wird mir jedes Mal, wenn etwas geändert werden muss, ohne weiteres ersetzt, ich brauche nicht mehr, als ein Formular auszufüllen.
    Dabei war schon die Fahrschule eine Tortur, nicht nur für mich selbst, auch für meinen Vater. Ein ganzes Jahr lang übte er, zusätzlich zu den Stunden beim Fahrlehrer, beinahe jeden Abend mit mir, doch dass ich die Prüfung bestand, verdankte ich trotz allem eher den Umständen als meiner Verkehrstauglichkeit: Es lag Schnee auf den Strassen, man konnte keine Markierungen sehen und war gezwungen, langsam zu fahren. So musste ich mich nicht in den Verkehrsfluss einfügen, denn der Verkehr floss nicht an diesem Tag, er stockte. Der Experte hielt mich für vernünftig, weil er glaubte, ich passe mich den Verhältnissen an. Wäre aber ein anderer Tag gewesen und die Fahrbahn nicht von Schnee bedeckt, hätte er schnell gemerkt, dass ich nicht vernünftig war, sondern zögerlich und ängstlich.
    Dennoch bin ich nach wie vor Besitzerin eines Führerausweises im Kreditkartenformat, und ich bin so stolz auf ihn, dass ich ihn ständig in meinem Portemonnaie mit mir herumtrage wie andere die Fotos ihrer Liebsten –
    Gerade fällt mir ein: Vielleicht sollte ich mit meiner Geschichte auch dort anfangen, wo sie enden soll: Mit der Postkarte, die Rahel genau an dem Abend im Briefkasten ihrer kleinen Wohnung vorfindet, als sie, mit Dampfkochtopf und Nähmaschine im Leiterwägelchen der inzwischen erwachsenen Kinder, dorthin umzieht. Nach dem Abwasch.

    Liebe Milena, ich hoffe sehr, deine Heizung funktioniert wieder und wünsche dir von ganzem Herzen glückliche Tage!
    Alles Liebe
    Regula

  2. Vera meint

    Wie man sieht, nix dauert ewig, alles ist vergänglich!
    http://www.friendsofdolano.org
    Ich war auch schon in Santa Fé, aber Mai 2012, kein Schnee… :-)
    Kiss
    V.

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