Verwackelt.

###staatsoper-hamburg-die-kameliendameLetzte Woche bin ich umgekippt. Aus heiterem Himmel sozusagen. Eben riss ich noch Unkraut aus dem feuchten Erdboden, und dann lag ich schon selber drin. Es war sehr seltsam. Ich erzähle es nur, weil ich diesen Blog vor gut einem Monat mit dem guten Vorsatz wieder aufgenommen habe, er solle nicht wie der letzte eine Litanei der Erschöpfung werden. Die letzte Lesereise war ja von Grippeschüben und Verzweiflung durchzogen. Diese wollte ich fröhlich antreten. Das habe ich auch. Bis ich in der Notaufnahme landete. Warum, das weiss ich bis heute nicht. Nicht die Grippe. Erschöpfung? Nach drei Monaten Ferien? Wirklich?

Muss ich mein Leben schon wieder überdenken? Ich entscheide mich dagegen. Mein Leben macht mir Spass. Selbst das Umkippen war nicht wirklich unangenehm, im Gegenteil, ich fühlte mich, als hätte ich eine wunderbare Droge bekommen. S. wich den ganzen Nachmittag nicht von meiner Seite. Später kam E. und nutzte seine Mitarbeiter-Schlüsselkarte, um billige Sandwiches aus dem Automaten zu ziehen. Diese waren allerdings etwas labbrig. Aber alles in allem war es kein schlechter Tag.

Ich gebe zu, als ich in der Röhre lag, die ich aus so vielen Fernsehserien kannte, wurde mir schon einen Moment lang bang. Hat das Schicksal Sinn für Humor, fragte ich mich. Sitzen gerade irgendwelche unbekannte Mächte am Spieltisch und sagen: „So, so, Milena, über MS und Hirntumor schreiben, ohne richtig zu recherchieren, hm? Wart nur, wir geben dir dein Material!“ Aber nein. Kein weisser Fleck, nirgends. Ich habe ein sehr schönes Hirnbild, wurde mir bestätigt.

Obwohl ich den Rest der Woche mehrheitlich flach lag, entschied ich mich bewusst, das nicht zum Problem zu machen. Das blaue Sofa unter dem Dachfenster ist einer der schöneren Orte, die ich kenne. Ich bin ja schon dabei, ihm in meinem nächsten Bühnenprogramm, „Die Unvollendeten in Love“, ein Denkmal zu setzen. Indem ich es als Requisit auf die Bühne bringe und den halben Abend darauf verbringe. So taufte ich meinen Schwächeanfall um und nannte ihn Recherche. Eine Hotelgeschichte, in der sich ein pensionierter Hochstapler für seine Tochter noch einmal in Gefahr begibt, bekam eine neue Dimension. Ich liess den Hochstapler im Hotelflur zusammenbrechen, hängte ihm meine ganzen widersprüchlichen Symptome an und schickte ihm dann eine spröde Ärztin zu Hilfe. Die Geschichte hat dadurch nur gewonnen. Na also!

Etwas anderes beschäftigt mich fast genau so sehr: In den drei Monaten meiner Blog-Pause haben sich 44’601 ungelesenen Kommentare angehäuft. Ich weiss, dass mindestens 44’596 davon Spam sind. Cheap Viagra! Viagra online! Gucci Outlet! Canada Goose! Trotzdem könnte es sein, dass sich der eine oder andere ernstgemeinte Kommentar zwischen den Werbebotschaften versteckt. Dieser Gedanke plagt mich. Meine leichte Zwanghaftigkeit macht es mir ohnehin schwer, diese 44’601 Kommentare einfach so stehen zu lassen. Andererseits, wenn ich mich jetzt anfangen würde, durch sie hindurch zu wühlen, dann müsste ich mich wirklich hintersinnen. Und das, meine Lieben, das will ich nicht… nicht…. nicht….camille

 

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Leser-Interaktionen

6 Kommentare

Kommentare

  1. Claudine meint

    Hm, manchmal tut erzwungene Ruhe gut.
    Und du hast jetzt den ultimativen Bildnachweis, wonach in deinem Kopf kein Stroh ist.
    Ich hab auch so ein Bild, wo man keine MS und kein Stroh fand…nur „normales“ Hirn, theoretisch, denn was ist schon normal?

  2. Hans Alfred Löffler meint

    ui ui ui! Schlimm sieht es zwar nicht aus auf meinem Bildschirm und trotzdem mache ich mir Sorgen. Auf jeden Fall handelt es sich nicht um ein „Depressiönli“ und ich hoffe nicht, dass S. neulich einen Keks gebacken hat und Du diesen zur Stärkung auf Deiner Lesereise genossen hättest. Auf jeden Fall alles Gute für Dich, und nicht gute Besserung, denn besser als „Das wahre Leben“ kann’s gar nicht sein.

  3. Regula Horlacher meint

    Oh, Milena – ein pensionierter Hochstapler, was für ein unwiderstehlicher Einfall! Kein Wunder, hast du so ein schönes Hirnbild! Ich habe mir überlegt, wie ein Hochstapler das wohl macht mit seinen AHV- und Pensionskassenbeiträgen.

    Kürzlich habe ich etwas Ähnliches erlebt:
    Meine Milchzähne waren sehr schlecht. Ich musste schon mit vier Jahren zum ersten Mal zum Zahnarzt. Vor jedem Zahnarztbesuch hatte ich grosse Angst. Eine Spritze bekam ich nur, wenn ein Zahn gezogen werden musste.
    Unser erster Zahnarzt war ein unfreundlicher Mensch. Er machte meiner Mutter Vorwürfe, sie würde mich zu viel Süssigkeiten essen lassen und zu wenig darauf achten, dass ich die Zähne putzte. Meine Mutter litt unter diesen Vorwürfen. Effektiv mochte ich Süsses nämlich gar nicht besonders. (Jedenfalls behauptete ich das. Ich behaupte das auch heute noch, aber wenn ich es mir recht überlege, stimmt es gar nicht. Eigentlich mag ich Süssigkeiten. Sehr sogar. Und das war möglicherweise schon immer so, auch als ich klein war – seltsam.)
    Als ich älter wurde und die Verantwortung für meine Zahnpflege selber übernehmen konnte, begann ich aus Angst davor, zum Zahnarzt gehen zu müssen, meine Zähne exzessiv zu putzen. Nach jedem Bissen, den ich ass, nach jedem Schluck, den ich trank, schrubbte ich sie. Es wirkte: Ich bekam keine Löcher mehr. Dafür waren irgendwann die Zahnhälse freigelegt. Ich hatte eine Vorliebe für Orangensaft damals. Man wurde weniger dick davon als von Schokolade. Ich bekam eine Lektion „Zähneputzen“ beim Zahnarztfräulein, danach war ich vorsichtiger. Zwanzig Jahre lang lebte ich mit freigelegten Zahnhälsen. Das ging gut, man musste nur ein wenig behutsam mit ihnen umgehen. Aber dann hielt es der Zahnarzt für an der Zeit, etwas zu unternehmen. Das war vor vier Jahren. Seither lasse ich mir jedes Jahr eine Hälfte richten: Links unten, rechts oben, links oben. Dieses Jahr ist rechts unten an der Reihe.
    Dazu muss ich vielleicht noch bemerken: Die Medizin hat Fortschritte gemacht. Man hat die schädigende Wirkung von starken Schmerzen erkannt und setzt viel eher Schmerzmittel ein als früher. Ich bekomme eine Spritze, es tut nicht weh.
    Ausserdem ist mein jetziger Zahnarzt ein heller Kopf und ein guter Feinmechaniker. Ich habe Vertrauen in seine Fähigkeiten.

    Drei Tage bevor meine Arbeit im Altersheim am 20. Juli zu Ende ging, bekam ich Zahnschmerzen. Ich hatte für den 15. August einen Kontrolltermin beim Zahnarzt. Ich fragte mich, ob ich ihn vorziehen sollte. Ich war unschlüssig und schob den Anruf immer wieder hinaus. Mal tat es mehr weh, mal weniger. Zuerst war es die ganze Seite, dann lokalisierte sich der Schmerz auf einen Backenzahn, den ich mir vor fünfzehn Jahren mit einem Kirschenstein kaputt gemacht hatte. Es war ein dumpfer Schmerz, eher so, wie wenn man Weisheitszähne bekommt, als wenn man ein Loch hat. Wenn ich Süsses, Saures und Kaltes mied, die Zähne noch sorgfältiger putzte als sonst, dreimal statt nur einmal am Tag Zahnseide benutzte und nach jedem Essen Zahnputzkaugummi kaute, war es auszuhalten. Mit der Zeit wurden die Schmerzen weniger und schliesslich reagierte der Zahn nur noch auf Kälte.
    Trotzdem erzählte ich dem Zahnarzt am 15. August davon. Der Backenzahn gehört nämlich zur rechten unteren Hälfte, die dieses Jahr an der Reihe ist, und ich wollte sicher gehen, dass nicht etwas zubetoniert wurde, unter dem sich womöglich ein Eiterherd befand.
    Der Zahnarzt schaute sich den Zahn ganz genau an, testete ihn ausgiebig mit Kälte, machte ein Röntgenbild von der Wurzel. Nichts.
    Ein Phantomschmerz. Ein Trauma.
    „Haben sie Herzbeschwerden?“, fragte der Zahnarzt.
    Ich sah ihn erstaunt an. „Warum?“, fragte ich zurück.
    „Ein krankes Herz kann Zahnschmerzen auf der rechten Seite auslösen.“
    Ein krankes Herz, dachte ich betroffen. Nachts im Bett, wenn alles still war, hörte ich es seit einiger Zeit im rechten Ohr pochen. Es war unangenehm. Ich hatte an Tinnitus gedacht und mich gefragt, ob das wohl jetzt immer so bleiben würde.
    „Ich öffne diesen Zahn nicht!“, sagte der Zahnarzt.

    Auf „Die Unvollendeten in Love“ freue ich mich. Unvollendet und trotzdem in Love, genau so stelle ich mir das vor. Man kann sich ja zusammen weiterentwickeln, wenn man will. Oder auch nicht, wenn man nicht will. Ganz nach dem Motto: Elefanten können nicht in die Luft springen, weil sie zu dick sind. Oder sie wollen nicht.

    Übrigens, bei meiner Coiffeuse steht auch ein blaues Sofa, seit sie mit ihrem Geschäft in die Altstadt umgezogen ist. Sehr gemütlich.

    Und ja – was ich noch sagen wollte: Meins ist grün.

    Liebe Grüsse
    Regula

    • Hans Alfred Löffler meint

      Das ist vielleicht nicht ganz legal, aber vielleicht schon verjährt, trotzdem will ich mich ganz respektvoll bedanken bei Frau Regula, für den Kommentar. Also haben Sie ein grünes Sofa zu Hause. Am 4. November 2009 schrieb Milena einen Kommentar in der „Schweizer Familie“ welcher hiess „Dasselbe in Grün“ – nein ich habe das gedruckte Exemplar nicht mehr und auch am Web wurde es entfernt. Wie könnte ich mich also sinngemäss und grün(d)lich bedanken als mit diesem Link: http://sdrv.ms/1bRFc2Q – wie gesagt es ist etwas „verjährt“ (ich auch ;-)

  4. Anna Esposito meint

    Dearest
    Auf meiner Lieblingsseite für monatliche Ansagen gibt es eine Erklärung! Für spirituelle Leute wie Du und ich. (The power path of shamanism, october forecast, resetbutton.)
    Happy Nirwana, Anna

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