Unvollendet unterwegs

Charterflug, Halbpension, Swimmingpool: Ich mache Ferien. So wie normale Leute Ferien machen. Es muss ja nicht immer anstrengend sein. Erinnere mich plötzlich, wie ich mit einem bauchwehkranken Eineinhalbjährigen unter dem Arm und einem weinenden Achtjährigen an der Hand durch die Strassen eines Aussenquartiers in Sharm el Sheik irrte – wir waren bei Freunden zu Besuch, einem Fotografenpaar, die ein schönes Haus an der Küste hatten. Doch der Abhang zum Meer war steil, es gab keinen richtigen Weg hinunter, der Einstieg ins Wasser über die Korallen schwierig. Mehr als einmal dachte ich sehnsüchtig an die Hotelkästen im Ort, die aufgeschaufelten Sandstrände – was könnte man da mit zwei Kindern gemütlich Ferien machen! Natürlich sprach ich diese Gedanken nicht aus, sie hätten mir die volle Verachtung der Künstler eingebracht. In Hotelkästen macht man Ferien. Wir aber reisten.

Der Kleine hatte Durchfall. Der Grosse Angst vor den scharfen Steinen. Die Wickeltasche war schnell leer. Ein tropfendes, schreiende Bündel unter einem Arm, einen quengelnden Buben an der anderen Hand, stapfte ich zum Haus hinauf. Die anderen blieben am Strand. Das Haus unserer Freunde war abgeschlossen, eine Gruppe alter Männer hütete den Eingang. Ich versuchte, mich ihnen verständlich zu machen. Ein Blick auf die tropfende Windel genügte, die Tür war offen, sie stoben auseinander.

Muss es wirklich immer so anstrengend sein, dachte ich.

Später am Abend sassen die Erwachsenen draussen unter dem Sternenhimmel und diskutierten, während ich versuchte, das kranke Kind zu beruhigen. Nach zwei Stunden gab ich auf und tat mit dem brüllenden Baby im Arm in die Fotografenrunde. Die erwachsenen Gespräche verstummten, irritierte Blicke trafen mich.

„Milena, it’s just a baby!“ rügte die kinderlose Hausherrin.

Wäre mein Leben eine Geschichte, hätte ich in diesem Augenblick Kinder und Koffer gepackt und wäre zu Fuss in den nächsten Hotelkasten gepilgert. Dort hätte ich ein buntes Getränk mit aufgespiessten Kirschen bestellt und mit dem Bademeister angebandelt. Vielleicht wäre die Gastgeberin am nächsten Tag auf eine giftige Koralle getreten. Aber mein Leben ist keine Geschichte, und so dauerte es halt noch sechzehn Jahre, bis ich richtige Ferien buchte.

Achja, Erika, Suleika, Dante und Nevada kommen auch mit. Ausserdem jemand, der vielleicht Jean-Luc heisst. Und Erikas Mutter Marylou wird sich wohl auch nicht so einfach abschütteln lassen.

Und natürlich Sib the Grill Girl: Sie ist allerdings eine real existierende Freundin. Und meine Bühnenpartnerin. Und weil Ferien und Arbeit sich bei uns Freischaffenden nicht ausschliessen, werden wir am Swimmingpool liegend, Drinks in der Hand, auch noch gleich unser neues Programm zufadenschlagen: Die Unvollendeten in Love.

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6 Kommentare

Kommentare

    • Regula Haus-Horlacher meint

      Vielleicht ist Poppi – so „unvollendet“ sie auch sein mag :-) – selbständig geworden und braucht deshalb keine Geh- und Stehhilfen mehr?!
      Was für ein spannendes Thema, das du da ansprichst, Claudine! Abendfüllend. Wie gern hätte ich Zeit und Muse, mich bei einem Glas Rotwein in zwangloser Runde darüber auszutauschen –
      Liebe Grüsse
      Regula

    • Claudine meint

      Hallo Regula

      leider sah ich deine Antwort erst monate später.
      Zu oft bleibt für zu viel keine Zeit!
      Nur weil ich gestern bei den Unvollendeten war, stöbere ich heute Abend wieder hier rum.

      Herzlicher Gruss
      Claudine

  1. Gise Kayser-Gantner meint

    ….soso, Jean-Luc reist mit, das erinnert mich doch an was, ach nein, der meine hieß Jean-Pierre!
    Schöne Ferien, voll Inspiration und Glückseligkeit: keine Windeln mehr, das müssen jetzt andere erledigen! ;>>
    Warning: Beware of the beautiful artist!
    Gise

  2. Karin meint

    Schöne Ferien wünsche ich. Es lässt sich gut arbeiten an einem gemütlichen Ort mit einem bunten Getränk mit Cocktailkirschen. Mir würde das genügen. Den Bademeister können die anderen haben. :-)
    Alles Liebe Karin

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