Es ist wieder so weit.

Meine Lieben, es ist der erste November und ihr wisst, was das bedeutet: National Novel Writing Month. 50’000 Worte in 30 Tagen. Schreiben, ohne aufzuschauen. Ich mache jedes Jahr mit. Um eine Geschichte zu entwickeln, um sie voranzutreiben. Oder einfach nur zum Spass. Gerade, weil einem bei diesem rasenden Tempo keine Zeit zum Nachdenken bleibt, passiert immer etwas Unerwartetes. Auf dem Papier. Nicht umsonst lautet das offizielle Motto „No Plot, no Problem!“ Es gibt keine bessere Methode, um eine Schreibgewohnheit aufzubauen und beizubehalten. Denn um bei diesem Tempo mitzuhalten, muss man sich die Zeit zum Schreiben schon stehlen. Etwas anderes muss weichen. Gleichzeitig hat es auch etwas Spielerisches, Kindliches. Es kontrolliert ja niemand die eingegebene Wortzahl, geschweige denn wird das Geschriebene gelesen, bewertet, beurteilt. Diese Mischung aus Selbstüberlistung („es liest’s ja eh keiner“) und Zeitdruck ist ein Zaubermittel für die Kreativität. Es ist sozusagen die X-Game-Version meiner Methode „Erst schreiben, dann denken!“. Auch jetzt, wo ich fast – fast! – fertig bin mit meinem Roman. Und nicht einmal weiss, ob ich überhaupt noch 50’000 Worte brauche. Aber ich weiss, dass bei dieser Übung immer noch etwas an die Oberfläche drängt, von dem ich keine Ahnung hatte. Wenn nicht jetzt, wann dann? Ausserdem habe ich Angst, dass mein Schreiben gerade in diesem Monat, mit all seinen Feier- und Geburtstagen, Vernissagen, Finissagen und Konzerten, dem Abbauen von zwei Installationen und und und…. zu kurz kommt. Denn es ist ein Naturgesetz, dass das Leben immer dann über einem zusammenschlägt, wenn man sich Zeit für sich nehmen will. Zum Spass schaue ich mir mein Nanowrimo-Tagebuch von 2005 wieder an, als ich zum ersten Mal mitmachte. Meine Lebensumstände mögen sich radikal geändert haben, das Prinzip bleibt sich gleich. Ein Naturgesetz, wie gesagt.

31. Oktober: Um Mitternacht beginnt der National Novel Writing Month. Eigentlich wollte ich zu dem Minute-One Write-in Treffen in einem Café in der Innenstadt gehen, aber machen wir uns nichts vor, um Mitternacht liege ich normalerweise längst im Bett. Die letzten Wochen waren schwierig genug, angefüllt mit kleinen, aber zeitraubenden Verpflichtungen und der Pflege meines Nachbars Jack, der sich mit einem Nierenstein und der barbarischen Versorgung durch sein Kassenkrankenhaus abkämpft. Heute war ausserdem Halloween, Cyril hat spontan seine halbe Klasse plus Eltern zum Trick-or-Treat eingeladen, was bedeutete, dass ich eine Party für zwanzig Leute aus dem Ärmel schütteln musste. Was dank Pizzahauslieferdienst so weit ganz gut gelang. Um zehn geh ich ins Bett und frage mich: Was hab ich mir dabei gedacht? Weiss nicht mal mehr, was ich damit meine, die Party, den Roman, das Leben im Allgemeinen?

1. November: Im Internetbriefkasten heute morgen das Begrüssungsmail von Chris Baty, dem Erfinder des Nanowrimo, der sich 1999 mit fünf Freunden nur so zum Scherz hingesetzt hat, um einen Roman zu schreiben, und der dieses Jahr über fünfzigtausend grössenwahnsinnige Möchtegern-Schreiber animiert hat. (Anm. aus der Gegenwart: 2017 sind es schon 400’000!) Die Idee ist einfach: 50’000 Wörter in dreissig Tagen, geht das? Möglichst noch mit einem losen Zusammenhang, einer Geschichte gar? Warum? Nur so, aus Spass an der Freud. Am Ende des Monats werden die Wörter gezählt, nicht aber gelesen, beurteilt, oder bewertet. Es sind keine Preise oder literarische Ehren zu gewinnen, nur ein kleiner Heiligenschein neben dem Autorennamen auf der Website. Das ist alles. Atemberaubend einfach. Batys erstes mail rührt mich fast zu Tränen:

“…the bathing and sleeping, we’ll keep. But as for all the chores and favors and selfless acts of kindness you’ve spent your life bestowing upon the people around you… Well, in November, you’re off duty.

Seriously.”

Seriously.

Ich verspreche: Alle werden es überleben. Wenn wir uns Zeit zum Schreiben nehmen.

Wir auch.

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Leser-Interaktionen

3 Kommentare

Kommentare

    • regenfrau meint

      Danke liebe Milena,
      ich habe dich schon als Buddy hinzugefügt und kann deine Schreibfortschritte nun sehen. Ich bin momentan noch etwas überfordert, mit den ganzen Funktionen und Badges… Aber immerhin habe ich spätabends noch den Button entdeckt, mit dem ich meine Wörter aktualisieren kann! :) Ich schreibe (auch) dort, als regenfrau.
      Viel Spaß weiterhin!!

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