Serendipity.

Fügung. Schicksal. Glücklicher Zufall. Ich weiss nicht genau, wie man das Wort übersetzt. Aber ich glaube, das ist mein neues Lieblingswort: Serendipity. Eine amerikanische Freundin hat es auf mich angewendet, nachdem sie mein Buch gelesen hatte. „Das scheint in deinem Leben eine grosse Rolle zu spielen. Serendipity. Du verlässt dich mehr darauf als irgendjemand, den ich kenne!“

Ich musste das Wort nachschlagen. Dann musste ich ihr Recht geben. Wo wäre ich heute, wenn ich diesen seltsamen, unerwarteten Fügungen des Schicksals nicht gefolgt wäre? Wenn ich dem Gefühl nicht vertraut hätte, das mir sagte, dieser Fenstersitz in diesem winzigen Open House an der Canyon Road in Santa Fe sei mein Zuhause? Dieser zurückhaltende Mann, der am anderen Ende der Welt wohnte und zweimal im Jahr für mich kochte, sei mein Seelenverwandter? Die Vernunft ist diesen Momenten keine Hilfe. Was willst du in Santa Fe, sagte sie damals. Was willst du mit einem Haus? Du kannst die Schweiz frühestens in zwei Jahren verlassen, wenn überhaupt. Es ist der falsche Ort, der falsche Moment und überhaupt, darf ich dich daran erinnern, dass du gar kein Geld hast? Du weisst nicht, was es bedeutet, einen kranken Menschen zu lieben, mahnte sie. Willst du dich wirklich darauf einlassen? Denn besser wird seine Situation nicht, das kann ich dir jetzt schon sagen.

Ich hörte nicht auf die Vernunft.

Neulich habe ich geträumt, ich sei wiedere in einer Situation, in der ich vor etwa fünfzehn Jahren wirklich war. Dieselbe Situation, dasselbe Gefühl der Ausweglosigkeit, der Verzweiflung – doch dann kippte das Gefühl. Im Traum. Erst wurde ich wütend, doch auch das dauerte nicht lange. Die Wut verwandelte sich in etwas Schönes, Starkes und Neues: In die Gewissheit, dass ich mein Leben selber in der Hand hatte. Und plötzlich war alles ganz einfach. „Nein“, sagte ich nicht einmal  besonders laut, aber mit klarer Stimme. „Nein, einfach nein!“ – und trat mit einem einzigen Siebenmeilenschritt aus dieser Situation heraus. Dann wachte ich auf. Ich versuchte, dieses Gefühl so lange wie möglich auszukosten, bis mir bewusst wurde, dass ich es nicht nur aus meinem Traum kannte. Dass dieses Gefühl jetzt meines war. Jeden Tag.

Ich bin nicht mutig, wie mir manchmal unterstellt wird. Ich höre nur nicht immer und immer seltener auf die Stimme der Vernunft. Ich vertraue dieser anderen Stimme, der Stimme mit dem Namen eines Filmstars oder eines Blumenkindes: Serendipity.

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14 Kommentare

Kommentare

  1. Regula Horlacher meint

    Mir sagte einmal eine Therapeutin, dass es mit der Vernunft genau umgekehrt und also auf das eigene Herz zu hören das einzig Vernünftige wäre! Das leuchtete mir ein – alles andere funktionierte sowieso nicht. Jedenfalls, was mich betraf, war das so. Irgendwann konnte ich mir jeweils nichts mehr vormachen, und dann veränderte sich mein Verhalten, ob ich wollte oder nicht, ich kam nicht dagegen an. Ich wurde unlustig und unfreundlich, ich mochte keinen Einsatz mehr leisten und kein Verständnis mehr aufbringen. Ich schadete nicht nur mir selbst, wenn ich mich der Stimme meines Herzens verschloss, sondern auch der Sache, wenn es um etwas ging, das ich nicht mehr tun mochte, oder den Menschen, die zu spüren bekamen, dass ich mit meiner Situation nicht mehr zufrieden war. Der Stimme meines Herzens zu folgen, war also nicht nur mein Recht, es war sogar meine Pflicht, auch das lernte ich von jener Therapeutin, und es erleichterte mich sehr – denn das, was mein Herz damals so vehement forderte, war etwas, das „man“ eigentlich „nicht tut“.
    Nun ja. Es wurde dann ja auch nicht einfach …
    Das Herz weist einem zwar unbestreitbar den richtigen Weg, aber es ist ein unerbittlicher Chef und verlangt einem auf diesem Weg viel ab. Sehr viel. Es lässt keine Abkürzungen zu und keine Mogeleien. Es will, dass man ihm absolut treu ist. Und wenn es die Umstände erfordern, so verschwiegen, wie es die Frau sein musste, die von der Nationalbank den Auftrag erhielt, die neuen Banknoten zu zeichnen. Und dass man geduldig ist. Und manchmal auch, dass man mit dem Neuen bereits anfängt, und gleichzeitig das Alte noch eine Weile weiterführt. Solange, bis es nicht mehr nötig ist.

    • Milena Moser meint

      Witziges PS zu diesem Text. Letzte Woche im Zenretreat erinnerte ich mich an das Offensichtliche: Mein Zenname ist Myoshin. „Wundersames Vertrauen“. Duhhhhh!!!!

    • Regula Horlacher meint

      Ja, diese Namen –
      Ich hab immer noch nur diesen einen, den mir mein Vater gegeben hat. Eine Zeitlang ärgerte ich mich darüber, aber irgendwann gab ich nach und dachte, na gut, dann sorge ich halt für diese Ordnung, so gut ich kann – vielleicht ist das ja so etwas wie meine Lebensaufgabe …

  2. Monika Böttrich meint

    Liebe Milena,

    serendipity…genau dieses Vertrauen hat mich im Oktober nach Santa Fe gebracht…
    …und ich weiß, dass das meinen weiteren Weg beeinflusst, auch wenn es sich im Moment noch nicht offenbaren will.
    Lieben Dank für diese schönen Worte!!
    Lieben Dank für die schöne und inspirierende Woche in Santa Fe!!
    Liebe Grüße
    Monika

  3. Karin Braun meint

    Serendipedy hat mich nach Kiel gebracht, als ich herfuhr um jemanden zu besuchen, war da eine Stimme in mir, die sagte: Hier kannst du glücklich werden. Einen Monat später bin ich umgezogen und wurde es … Mit Vernunft halte ich es seit dem nicht mehr. Bin nun Serendipedydistin

  4. Denise meint

    Ich liebe diesen Text.

    (Wann immer es mir im Serendipitätsprinzip zu leben gelingt, geht es mir verhältnismäßig gut. Auch meine aktuelle Liebesbeziehung (bald 9 Jahre glücklich) verdanke ich diesem Prinzip, denn die Vernunft hätte laut NEIN gerufen. Viel zu weit weg! Geht doch nicht!)

    Unmöglich Gedachtes geht eben doch. Und nein, dazu braucht es wohl nicht in erster Linie Mut, sondern ein Herz, das lauter schlägt als der Kopf denken kann.

    Dein Text macht richtig viel Mut.

  5. Karin Reber meint

    Wow Milena, wie wunderschön! Von Herzen danke, dass du solche Einsichten mit uns teilst!
    Ich finde natürlich schon, dass du mutig bist. Vielleicht nicht im Sinn von brave (und auch das wage ich zu bezweifeln), aber ganz sicher im Sinn von courageous. Beherzt eben. Nicht nur in dem, was du tust, sondern auch, dass du es mit der Welt teilst. Frauen wie du sind Wunder-volle Vorbilder in der heutigen Zeit.

  6. regenfrau meint

    Liebe Milena,
    oh was für schöne Gedanken – was für ein wunderschönes Wort!
    Du bezeichnest dich selbst nicht als mutig und doch braucht es genau den, um die Stimme der Vernunft einfach mal zu ignorieren und auf die andere innere Stimme zu hören und „Ja“ zu sagen, wenn die Frage aufkommt, ob du dich auf etwas Neues einlassen willst.
    Gerade in dieser Zeit, wenn man auf ein Jahr zurückblickt und sich schon Gedanken über das nächste macht, tut es gut, so positive Zeilen zu lesen. Danke dafür und einen guten Start in das nächste Jahr! :)

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