Was zählt.

Fotoroman 1„Work is my pleasure, my refuge, my comfort, my challenge, my definition.“ Das schreibt Pam Houston in einem Essay über Frau und Ehrgeiz. Ich habe den Satz sofort unterstrichen. „Genau!“, war meine erste, spontane Reaktion. Genau so empfinde ich das auch. Wort für Wort, nur würde ich „work“ mit Schreiben übersetzen, nicht mit Arbeit. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto weniger sicher bin ich mir. Ist es wirklich mein Schreiben, das mich definiert? Oder ist es mein Leben? Ist Schreiben mein Leben oder Teil meines Lebens? Und ist das überhaupt wichtig? Um mich abzulenken, habe ich dann noch ein paar andere Essays in diesem Buch gelesen. Frau und Ehrgeiz – offenbar ein universelles Thema, immer noch. Auch wenn es sich überall ein bisschen anders präsentiert. Wie jeder guter Essay zwingt mich auch dieser, über meine Haltung zu dem Thema nachzudenken. Ich bin ein Kind der achtziger Jahre, wenn auch ein widerwilliges. Dem Zeitgeist nicht entsprechendes. Ich wäre eher ein verträumtes Blumenkind als eine taffe Punkette. In den achtziger Jahren war Ehrgeiz verpönt, bei  Frauen noch mehr als bei Männern. Wer Erfolg hatte, war erst einmal suspekt. Angepasst, mainstream, Seele verkauft. Das hatte den Vorteil, dass mein Scheitern bei der Verlagssuche nicht unbedingt als Versagen angesehen wurde. Dass das literarische Etablissement keine Verwendung für mich hatte, sprach eher für mich. Bücher und Zeitschriften selber herauszugeben statt sich anzupassen, war eine konsequente Reaktion dieser Zeit. So passte ich also plötzlich doch dazu. Heimlich aber wünschte ich mir damals schon, „es“ zu schaffen, veröffentlicht, gelesen zu werden, sogar Geld zu verdienen. Das gestand ich allerdings nicht einmal mir selber ein. Im Gegenteil. Jahrelang entschuldigte ich mich für meinen Erfolg, wischte ihn schulterzuckend weg, tat ihn als Laune des Schicksals ab. Dieses Kokettieren ist traurig, peinlich – und zutiefst weiblich. Dreissig Jahre später habe ich ein bisschen mehr Klarheit, auch beim Wünschen.

Dreissig Jahre später erzählen Schriftstellerinnen auf einem anderen Kontinent ganz ähnliche Geschichten. Das ist ebenso irritierend, wie es tröstlich ist. Wir sind nicht allein mit unseren Prägungen. Was nicht heisst, dass wir nicht wenigstens versuchen sollten, sie zu überwinden.

„Meine Freude, meine Zuflucht, meine Herausforderung, meine Definition….“ Das gilt für das Schreiben. Aber das gilt viele andere Dinge auch. Kinder. Familie. Liebe. Freundschaft. Aber diese Dinge sind beweglich. Sie verändern sich. Sie kommen und gehen. Das einzig Konstante in meinem Leben ist das Schreiben. Schreiben ist das, was bleibt. Das, was immer da ist. Es ist aber auch das, was ich tue. Jeden Tag.

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3 Kommentare

Kommentare

  1. Runelesen meint

    Ich habe nur eine Frage dazu: Kann man etwas anderes tun wollen? Als Schreibend sich zu definieren? Oder auch in anderer künstlerischem Ausdruck? Zumindest als Frau? Ich kenne keine, die es nicht tut, auf die eine oder andere Weise. Vielleicht unser Weg, den steinigen, der letzten paar Jahrtausende zu „überleben“?
    Mir gefällt der Ausdruck: literarisches Establissement! Danke Milena!

    • Milena Moser meint

      Danke – das war ein freudscher Verschreiber: zwischen zwei Sprachen! Und ja, ich denke auch, jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, will sich ausdrücken, will sehen, gehört werden.

  2. regenfrau meint

    Mehr Klarheit beim Wünschen – das klingt gut. Und das Schreiben als den roten Faden, die Konstante zu erkennen bedeutet ja auch mehr Klarheit. Eine wunderschöne Konstante!

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