Wo ist zuhause, Mama?

images 3Und wieder sitze ich am Flughafen. Ein bisschen nervös: Die Geschichte von Mem Fox, einer australischen Kinderbuchautorin, die am Flughafen von Los Angeles stundenlang festgehalten und verhört wurde, macht mich nervös. Sicherheitshalber habe ich die Notfallnummer des EDA gespeichert. Sechs Wochen lang habe ich Fragen beantwortet, die ich nicht beantworten kann: „Wie ist es, mit einem Präsidenten wie Trump zu leben?“ Ich weiss es nicht. Ich war ja gar nicht da! Am Abend der Amtsübergabe flog ich in die Schweiz. Das Flugzeug hatte drei Stunden Verspätung. Ich sass in einer überfüllten Bar vor einem Thunfischsandwich und einem Glas Wein. Neben mir ein Deutscher, eine Französin, zwei Amerikaner und ein Paar aus Neuseeland – das klingt wie der Anfang eines Witzes, aber so war’s. Vor uns auf drei Bildschirmen drei verschiedene Ausschnitte aus den Feierlichkeiten. Verlegene Bemerkungen der Kommentatoren. Es war die sprichwörtliche Massenkarambolage auf der anderen Fahrbahn: Man kann nicht hinsehen, man kann aber auch nicht wegsehen. Immerhin führte es dazu, dass wir alle miteinander ins Gespräch kamen. Das ist neu. Die Amerikaner sind zwar sehr offen, aber über Politik reden sie nicht. So wenig wie Schweizer über Geld. Das hat sich geändert. Einer der Amerikaner sagte, er sei sein Leben lang republikanisch gewählt – aber das! Das sei nicht sein Präsident. Der andere schüttelte den Kopf und sagte, Bernie hätte sich nie zurückziehen dürfen. Das paar aus Neuseeland meinte, sie kämen seit zwanzig Jahren jedes Jahr nach Amerika, aber jetzt würden sie eine Pause einlegen. Dann begann der Präsident mit seiner Frau zu tanzen. Wir starrten auf die Bildschirme.

„Harmonie sieht aber anders aus“, sagte der Deutsche mehr zu sich selbst. „Harmony looks differently!“ Wir wussten alle, was er meinte.

In der Schweiz war es erst einmal sehr kalt. Und schön. In jedem Interview, an jedem Abendessentisch werde ich gefragt, wie das denn nun weitergehen solle. Ich weiss es nicht. Nichts, was ich für möglich, für wahrscheinlich halte, tritt ein. Dafür jeden Tag eine neue Schreckensnachricht, die ich nicht verstehe, nicht einordnen kann, die meinen gesunden Menschenverstand beleidigt. Was ich denke, ist vollkommen irrelevant. Weil es nichts mit der Realittät zu tun hat. Wie zum Teufel ist das möglich? Oder, in den Worten der grandiosen Dorothy Parker: „What fresh hell is this?“

Die meisten Schweizer, mit denen ich zu tun hatte und habe, sind gut informiert und denken differenziert. Trotzdem scheint sich die Vorstellung festgesetzt zu haben, dass „diese Amis“ in ihrer bekannten, sprichwörtlichen Dummheit ganz selber schuld seien. Und dass so etwas „bei uns“, wo nur kluge und gutinformierte Menschen leben, nicht möglich sei. Meine Freunde in Amerika erzählen unterdessen von ihren Kämpfen, ihren Bemühungen, ihren Sorgen. Der Begriff „post electoral stress syndrom“ wird gebraucht. Ich halte es schlecht aus, so weit weg zu sein, nichts beitragen, helfen, unterstützen, mittragen zu können.

Deshalb fliege ich zurück. Weil ich dabei sein will. Weil ich Teil davon sein will. Weil ich mir eine Meinung bilden will.

 

 

 

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Leser-Interaktionen

3 Kommentare

Kommentare

  1. Hans Alfred Löffler meint

    Es ist hoffentlich alles OK mit Dir, ich wundere mich nur, dass zu Deinem Blog vom 4. März 2017 keine weiteren Kommentare erscheinen. Oder geniesst Du einfach die Heimat wo das Glück auf Dich gewartet hatte.
    Vielleicht war ich auch zu voreilig mit meinem Kommentar, vielleicht erschreckte mein Name andere User? Wer weiss?
    Zur Zeit befasse ich mich mit Dir und den U.S.A. via anderen Beschreibungen, von anderen Autoren, hatte soeben eine Zugfahrt von New York nach San Francisco gelesen. Ich bewundere alle Leute die früher vor den schrecklichen Weltkriegen solche Reisen machten. Und noch mehr bewundere ich die Texte die von solchen Reisen erzählen. Liebe Grüsse von Hans.

  2. Hans Alfred Löffler meint

    Krank war Du? Aber miterleben willst Du auch. Und ohne Probleme bist Du sicher in den U.S.A. ausgestiegen, den Du bist ganz sicher noch nie in einem Protestmarsch mitgezogen, keine Zeit gehabt Dich mit Märschen zu beschäftigen. Dafür bist Du Autorin, Du schreibst Bücher,und machst Lesereisen. Vielleicht nimmst Du noch an Abstimmungen teil, bis diese elekronifiziert werden und jede Stimme mit Name, DOB heraugefiltert werden kann.
    Jetzt will ich mich bei Dir für die Signatur in Deinem bedanken, Sarah hat mir das Buch aus Bern zugesandt. Es liegt noch auf meinem Bett und ich werde es wohl behalten, zuerst dachte ich es meiner Tochter.Susy zu schenken. Sie liest nämlich auch, was weiss ich zwar nicht, wir sprechen nicht über unsere Lektüren.
    Komme gut und wohlbehalten an in Deine Casita in Santa Fe und erzähl uns etwas über den Atombombenbau in Los Alomos …

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