Technische Störung.

AllemediadedeuruitDa heisst es immer, Frauen seien gut im Multitasking. Trifft auf mich nicht zu. Vielleicht habe ich diese Fähigkeit auch einfach nur aufgebraucht, zu oft genutzt. Jedenfalls war ich am Telefon und gleichzeitig am Laptop. Beziehungsweise im Internet. Mit einem Finger klickte ich durch ungelesene emails, mit einem halben Ohr hörte ich zu. Und auf einmal war ein Ordner vom virtuellen Schreibtisch gefallen. Eben war er noch da. Dann war er verschwunden. Der Ordner hiess „Schreiben“. Darin waren alle Texte versorgt, die ich seit 1998 geschrieben habe. Was vorher war, weiss ich nicht mehr. Ich glaube, es ist auf quadratischen Scheiben gespeichert, die niemand mehr lesen kann. Item anyway, der Ordner war plötzlich weg und blieb verschwunden. Ich beendete das Telefongespräch und suchte herum. Nichts. Ich liess mich in chats beraten. Half nichts.  Noch machte ich mir keine Sorgen: Schliesslich hatten mir meine lieben Kusteilnehmerinnen eine externe Harddisk geschenkt, auf der ich meinen Schreibtischinhalt zwar nicht regelmässig aber immerhin mehr als einmal gespeichert hatte. Dann aber stellte sich heraus, dass ich ohne mir dessen bewusst zu sein, lauter Aliasse hergestellt und nur diese gespeichert hatte. Bis ich das merkte, war aber schon eine gute Woche vergangen. Eine Woche, in der ich meinen Computer rege genutzt hatte. Das hätte ich nun eben genau nicht tun sollen. Der Computermensch kratzte sich am Kinn. Jedesmal, wenn ich den Computer brauche, verringern sich die Chancen, das Gelöschte wieder zu finden. Es sei etwas so, wie wenn man die Umschläge von Bibliotheksbüchern entferne und sie statt dessen in Packpapier binde.

Das erinnert mich an etwas anderes. Eine Abschlussvorführung von Filmstudenten, zweiminütige Dokumentarfilme. Eine der jungen Frauen beklagte das Verschwinden von öffentlichen und Schulbibliotheken im virtuellen Zeitalter. Nicht nur, weil das Lesen von „richtigen“ Büchern immer noch eine andere Erfahrung ist als das Lesen am Bildschirm, sondern weil Bibliotheken unverzichtbare Zufluchtorte und Verstecke für Bücherwürmer und andere Aussenseiter darstellen. Nicht nur ist man in der Bibliothek sicher, sagt sie, sondern man lernt auch etwas. Die Bücher, die man erst nur zur Tarnung aufschlägt, werden Freunde. Zeigen einem dem Weg in die Zukunft. „Wo sollen wir, solche wie wir, denn jetzt hin?“, fragte sie bang. Nach der Vorstellung ging ich zu ihr hin und sagte: „Mir ging es genau so.“ Und Victor sagte „Mir auch.“ Victor hat aus Bibliotheksbüchern gelernt, wie man Flugzeuge baut. Die Filmemacherin hat die Kunst entdeckt. Ich hingegen habe stapelweise Liebesromane verschlungen, die alle irgendwie auf einer Schaffarm in Neuseeland endeten… Eine Amerikanerin um die zwanzig, eine Schweizerin um die fünfzig und ein Mexikaner um die sechzig erkannten einander in diesen kurzen Filmminuten. In diesen Bildern, die nach uns gegriffen haben wie Hände.

Wir sind nicht allein. Mehr kann ein Bild, ein Text nicht tun, als uns daran zu erinnern.

Nach über zwei Stunden und drei Durchläufen verschiedener Notfallprogramme gab der Computermensch auf. „Ich habe ein schlechtes Gewissen, dir etwas dafür zu verrechnen“, sagte er. Und: „Warum drehst du jetzt nicht durch?“

Das weiss ich auch nicht. Früher bin ich schon ausgerastet, wenn ich meine Hausschlüssel nicht gleich finden konnte. Meine Freunde nannten mich in aller Zuneigung eine „wandelnde Katastrophe“. Heute – ich weiss nicht. Vielleicht bin ich altersmilde geworden, vielleicht lebe ich einfach anders, vielleicht hat sich meine Perspektive verschoben. Natürlich ärgere ich mich – über mich selber. Aber come on: Muss ich diese Texte wirklich  in meinem Computer gespeichert haben? Die meisten sind ja veröffentlicht worden. Haben ihre Hände nach Lesern ausgestreckt. Die eine oder andere berührt. Was  kann ich mehr von ihnen verlangen?

 

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Leser-Interaktionen

16 Kommentare

Kommentare

  1. Susy Moesch meint

    Dear Milena,
    I just found out that you live in Santa Fe in the vicinity of Canyon Road. I am also from Switzerland and live in Santa Fe on the south side (Rancho Viejo). I would love to get to know you and to meet you if you are interested. I heard about you through the Swiss Embassy in Washington D.C. but have been unable to find you. You have my e-mail address if you are interested and my phone number is: 505 474-6076. I would love to hear from you.
    Susy Moesch

    • Michael Przewrocki meint

      Hallo Milena
      Erschrocken als ich von Deinem „schrecklichen“ Problem las.
      Bin Fotograf aber habe die letzten 20 Jahre massgeblich mich mit Computerproblemen beschäftigt und Computerbau.
      Datenrettung: Hatte ich auch mal in diversen Versionen.
      Daten die nicht mehr lesbar waren. Aber sie waren es einmal.
      1. Hab es zuerst mit Testdisk versucht und am schluss erfolgreich. Das ist ein Doppelprogramm inkl. photorec. Damals war es noch etwas kompliziert zum navigieren und retten. Jetzt ist es einfacher. In deren englisch/deutch/franz. Forum(der entwickler ist franzose) hab ich diesen Tip gefunden und dasselber Kopiermanöver erfolgreich durchführen können.
      2. Knoppix Live DVD(ist eine BootDVD es muss auf sie gebootet werden nicht auf die Festplatte). googlen ist gratis
      Das Programm auf DVD brennen. Einlegen-PC neu starten. man muss im Cmos-setup die startreihenfolge auf das CD/DVD-Laufwerk rsp den buchstaben setzen(nachher wieder zurücksetzen). bei einigen pcs kann man das beim starten direkt machen. beim start wird angegeben was man für jeweils das eine drücken muss um dort hineinzukommen rsp. um das laufwerk auszuwählen. wenn es zu schnell geht: mit pause/break-taste start anhalten(weiter mit irgend einer taste. sonst
      in der pc/laptop-anleitung(googeln) nachschauen.
      Also einmal in Knoppix kann man wie in einem dateimanager/explorer mit der Maus navigieren.
      Die gesuchten Daten auf externe Platte kopieren. Nicht auf den Laptop wo das Problem war.
      Viel Erfolg.
      Wenn kein Erfolg benötigen wir genauere Angaben über das Problem. Kann dann meine Kollegenexperten in den USA fragen. Das wäre bei sysopt.com forum.
      Wenn so ein problem auftaucht nie mit reparatursoftware drüber.
      Bei mir geschah das problem im zusammenhang mit dem abdocken einer externen festplatte und abbruch von chkdsk beim start. chdsk= dateisystem-reparatur-tool
      Wenn die externe festplatte abgehängt oder abgeschaltet werden soll, muss man sie korrekt abmelden. normal rechts unten-mit maus über die zeichen fahren dann sieht man welches gilt.
      wenn was hängt besser pc runterfahren rsp evtl. ein paar minuten warten bis er wieder auftauht. mit Ctrl. + Alt + Del(gleichzeitig rsp hintereinander und gedrückt halten pc evtl. entsperren evtl. noch mit alt + F4.
      wenn alles nicht geht pc/laptop ausschalten. dann ist die externe platte auch frei.
      Gruss

    • Michael Przewrocki meint

      Sollte nichts machen, hab das ja auch gemacht ich D….l. Mit der Knoppix-methode wird nichts geändert. Wenn das nicht geht, geh ins Testdisk-Forum und lass dir helfen wegen testdisk(ist auch gratis). auch da wird nichts geändert. hab die neue Version noch nicht ausprobiert. die alte brauchte viel nerven da offenbar der entwickler keine klare instruktion geliefert hatte oder die navigation tricky war. testdisk-rettung dauerte viel länger als mit knoppix. schon alleine die navigation war nervig. anleitung ausdrucken, dann im forum das problem schildern.
      evtl. hilft MIR eher endlich eines deiner bücher zu lesen auf meinem Lebensweg…

    • Michael Przewrocki meint

      Wenn alle Stricke reissen:
      http://www.datenrettung-festplatte.ch/preisliste/
      oder die internationale firma norman. hat büro in der ch. gruss aus basel

  2. Jeannette meint

    Ich kann da gut nachfühlen, liebe Milena Vor einigen Jahren verschwanden alle meine Fotos von mindestens einem ganzen Jahr. Unwiderruflich gelöscht von mir, wie eben auch ein Computermensch nach einigem Suchen feststellte. Ich brach in Tränen aus, denn diese Fotos wurden nicht veröffentlicht und sind definitiv verloren. Meine liebste Freizeitbeschäftigung, v.a. in der Natur draussen – eine Art Tage-/Jahresbuch in Bildern.
    Mittlerweile kam ich drüber hinweg.
    Und grad gestern las ich in Sergio Bambaren’s Buch „Die Zeit der Sternschnuppen“ diesen Satz, der hier irgendwie passt, wie ich meine:
    „Das einzige, was wir jemals behalten können, ist die Liebe, die wir verschenken.“

    Hier noch etwas anderes: Ich freue mich auf deine Lesung hier in Stäfa Ende Februar!
    Ich lebte grad vor dir fast 9 Jahre in San Francisco und besuchte in den Jahren danach 2x FreundInnen in Santa Fe und Umgebung. Ich war, nein, ich bin begeistert von deinem Buch „Das Glück sieht immer anders aus“, gratuliere dir zu deinem Mut, nochmals auszuwandern und freue mich immer wieder auf deine Blogs.
    Herzlichst, Jeannette

  3. Marianne Feller meint

    War sehr amüsant zu lesen, aber doch auch wieder traurig,es ist trotzdem ein Verlust fuer Dich. Eines ist sicher , so viele Leute konnten ernten von all den ausgestreuten Worten, die halt nicht mehr in Deinem Computer aber nun ueber die ganze Welt verstreut sind.

  4. Heather Cohn meint

    Oha, der Verlust ist übel. Andererseits stimmt es, was Du sagst: Die Texte haben ihren „Dienst“ getan, sie wurden veröffentlicht und, noch besser, sie wurden gelesen!

    Merry Christmas to you, liebe Milena!

  5. gise kayser-gantner meint

    Du bist nicht nur altersmilde, sondern sehr weise geworden, was mit den Jahren nur bedingt zu tun hat.
    Aber: Ich mache mir Sorgen, was bedeutet das alles?
    Ach, wahrscheinlich wirfst du nur Häute weg, damit die wunderbar scheinende neue endlich zum Vorschein kommen kann –
    Du merkst, liebe Milena, ich bin unverbrüchlich Optimist!
    H&K

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