Alles auf Anfang!

„Hier bitte!“ Ich sitze in der Garderobe eines etwas funky Fitnesszentrum in Santa Fe und verteile Postkarten, um für meine erste englische Übersetzung zu werben. Ich tue das, weil sich eine der Trainerinnen für das Buch interessiert hat. Weil sie es in ihrem Buchclub lesen will. Da ich die Übersetzung selber finanziert habe, muss ich nun etwa 1000 Exemplare verkaufen, um die Ausgaben zu decken. In einem Land, in dem mich keiner kennt. Das hab ich mir irgendwie vorher nicht überlegt… Umso besser, denn sonst hätte ich es vielleicht gar nicht erst getan! Und das wäre schade. Es macht mich glücklich, das Buch in den Händen zu halten, an dem so viele Freundinnen mitgearbeitet haben. Es macht mich stolz, in dem Land, in dem ich lebe, etwas vorzeigen zu können. Hier, das bin ich, das ist meine Geschichte. Und so sitze ich in dieser leicht verschwitzten Garderobe auf einer Metallbank und verteile Kärtchen und beantworte Fragen.

„Worum es geht? Midlife-Krise, Road-Trip, Glückliche Paare – everything and the kitchen sink, wie man hier sagt.“ Warum, weiss ich nicht. Aber ich liebe diese seltsamen amerikanischen Redensarten, die ich nicht verstehe und bestimmt immer falsch einsetze: „What am I, chopped liver?“

„Du Ärmste“, kommentiert eine Schweizer Freundin später. „Dass du dir das antun musst! Du bist doch eine gestandene Schriftstellerin!“

„Was immer das heisst.“ Und was immer das heisst, bin ich auch nur so geworden, auf eigene Faust und mit der grosszügigen Unterstützung meiner Freunde. Ich habe nie strategisch gedacht oder gehandelt, mich nie bei den richtigen Stellen, den wichtigen Leuten beliebt gemacht, nie überlegt, wer mir einmal von Nutzen sein könnte und wer nicht.

„Fool’s Journey“, der englische Titel spielt auf eine Tarotkarte an. Da tritt der Narr quietschvergnügt von einer Klippe ins Nichts. Hans guck in die Luft. Dieses Bild beschreibt mich ziemlich gut. Ich mache den ersten Schritt, bevor ich weiss, wo er mich hinführt. Meistens kommt es gut. Ich springe also als heute über sieben Schatten. „Hier, ich habe ein Buch geschrieben, möchten Sie es kaufen?“

Natürlich ist es mir peinlich. Aber es macht mir auch Spass. Es katapultiert mich in meine Anfänge zurück. Immer wieder von vorn anzufangen, mag manchen wie ein Albtraum erscheinen. In der buddhistischen Lehre ist es eine Tugend. Oder eher eine unvermeidbare Tatsache.

Der November ist unterdessen auch vorüber. Ich habe nur knapp 29’000 von 50’0000 Wörtern hingeschmissen und deshalb dieses Jahr keinen Heiligenschein bekommen. Aber das macht nichts. Ich habe drei Erzählstimmen und einen Geist. Stimmen, die ich vorher nicht hören konnte. Ich habe Bilder, von denen ich nichts wusste. Ich bin eingetaucht in eine Welt, die auf mich gewartet hat. Ich kann sie nicht mehr verändern, ich kann sie nur noch beschreiben. Ich lasse sie mir erzählen von diesen drei Kindern. Ich nehme das Diktat auf. Die Wortzahl ist egal. Jeder Monat ist Romanschreibmonat!

Über die neuesten Blogbeiträge informiert bleiben

  • Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.

Leser-Interaktionen

13 Kommentare

Kommentare

  1. Hans Alfred Löffler meint

    FYI only: „Shunryu Suzuki – Zen …“ Dieses Video ist aufgrund des Urheberrechtsanspruchs von PHOENIX BOOKS, INC. nicht mehr verfügbar.
    Es geht um folgenden Text: „In der buddhistischen Lehre ist es eine Tugend. Oder eher eine unvermeidbare Tatsache.“

  2. Silvia meint

    Hallo Milena,
    Laut Webster bedeutet die Redewendung, dass man sich als minderwertig fühlt. So zum Beispiel: Wow she’s gorgeous! And what am I, chopped liver?“ Leber galt nicht als Hauptspeise sondern als zweitrangiges Gericht.
    Man könnte sich auch fragen, woher der Ausdruck ‚frisch von der Leber weg‘ kommt.
    Übrigens: vielleicht solltest du dein Buch über YouTube vorstellen, auf Englisch, dann können wir alle dich liken. Ich habe schon einige englische Autoren gesehen, die das machen.
    Liebe Grüsse aus der Schweiz

  3. regenfrau meint

    Liebe Milena,
    wow, da bewundere ich dich sehr dafür! Aber ich glaube, dass dieser persönliche Einsatz, den du ja auch schon bei der Übersetzung und dem Veröffentlichen der englischen Version eingebracht hast, sich fortpflanzt und für den Leserinnen und Lesern spürbar sein wird.
    Und ich werde jetzt versuchen herauszufinden, was es mit dieser Leber auf sich hat. ;)

  4. Heather Cohn meint

    Erst einmal: Toi, Toi, Toi für Deinen Buchverkauf!!!

    @NaNoWriMo: Ich bin auch deutlich unter den magischen 50.000 geblieben. Mitten in meiner ersten Geschichte legte sich eine völlig neue drüber, plötzlich liefen die Gedanken zweispurig. Wie sich herausstellte, fesselt die mich die zweite Geschichte jetzt dauerhaft.
    Und es stimmt natürlich, wenn Du sagst, jeder Monat ist Romanschreibmonat.
    Viele Grüße nach Santa Fe aus Berlin!

An der Diskussion teilnehmen

Hier können Sie Ihren Kommentar schreiben. Ihre Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * bezeichnet.