Nevada heisst die Schneebedeckte

Ferien. ZweieinhalbTage. Ferien im Schnee. Mit Nevada, natürlich. Wären es „mehr Ferien“ ohne sie? Die Frage kann ich mir vielleicht stellen, aber sie bleibt eine rhetorische. Ich weiss nicht, ob ich je Ferien vom Schreiben gemacht habe. Ich kann mich nicht erinnern. Natürlich gibt es Aspekte des Schreibens, die sich wie Arbeit anfühlen: das Beantworten von Anfragen zum Beispiel. Von Email. Die Notwendigkeit, mindestens einmal am Tag erreichbar zu sein. Aber das Schreiben an und Pfirsich?

Mit einem nachsichtigen Lächeln schüttle ich den Anspruch, in diesen zweieinhalb Tagen hundert Seiten zu schreiben, das WordPress-manual auswendig zu lernen, vier Berge zu besteigen, ebensoviele Bücher zu lesen und ausserdem auszuschlafen, ab. Ich konzentriere mich auf das machbare: Ausschlafen.

Das Schreiben schiebe ich bis nach dem Abendessen auf. Ich setze mich in die Hotelbibliothek, wo ich auch Zugang zum Internet habe und erledige erst das Geschäftliche. Dann trinke ich noch ein Glas Wein. So, denke ich, genau so habe ich mir das Schriftstellerleben doch immer vorgestellt!

Und dann fange ich an zu schreiben. Nach – wievielen? fünf? sechs? – Wochen erst fange ich an, die einzelnen Erzählstimmen zu finden. Zuerst die Nevadas, was eigentlich erstaunlich ist, ist sie doch eine meiner Montagsmenschen. Sollte man nicht meinen, ich kennte sie langsam? Offenbar nicht. Auch Erikas Tochter Suleika (die sich hoffentlich! pretty please!! bald einen anderen Namen aussuchen wird) zeigt sich mir immer mehr. Ich kann sie hören, sehen, ich kann ihr mit einer gewissen Selbstverständlichkeit folgen. Ich denke sie mir nicht mehr aus. Ich rapportiere sie. Es bin nicht mehr ich, die von den Figuren erzählt, sie erzählen sich selber.

Meine ursprüngliche Hauptfigur hingegen, beziehungsweise die erste, die sich mir aufgedrängt hat, die gebeutelte blonde Erika, hat sich ziemlich weit zurückgezogen. Das wenige, was sie mir offenbart hat, sträubte mir die Härchen auf den Unterarmen. Dafür bin ich immer tiefer in ihre Familiengeschichte zurückgegangen und hänge jetzt bei ihrem Grossvater fest, der eine Textilfabrik führte – wie zum Teufel komme ich auf so etwas??

Tagsüber Sonne und strahlend blauer Himmel. Ich schlittle den Berg hinunter in vollkommen ungenügender Ausrüstung, ich kreische wie ein Kind. Viel zu schnell komme ich unten an. Von Kopf bis Fuss mit Schnee bedeckt. Nevada.

16.1. 7774 Z. 17.1. 8920, 18.1. 7275 Z.

(Wenn ich mir 5000 Zeichen vorgenommen hätte, hätte ich jeden Tag 3000 geschrieben….)

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10 Kommentare

Kommentare

  1. Isabel meint

    Liebe Milena
    Ich glaube, mit dir über ein ernst zu nehmendes Problem sprechen zu müssen: Ist dir klar, dass deine Figuren durch den Blog schon vor ihrem Umzug in ein sicheres Buchhaus abhanden kommen könnten? Wie du dir vorstellen kannst, stehen ihnen dazu alle Wege offen! Gesa fühlte bereits mit ahnungsvollen Zeichen (ähnliche Ausdrucksweise) einen Verdachtsmoment, und auch ich trage seit Heiligabendmorgen ein diesbezügliches Erlebnis mit mir herum: Ich glaube, ich bin Nevada begegnet. Nein, ich habe nicht heimlich deinen Computer angezapft und habe auch nicht in dein Laptop hinein gespickt. Es kam vielmehr so:
    Ich stand in einer langen Schlange an der Kasse. Das liebe ich, denn nirgendwo kann man sonst so ungeniert in die Warenkörbe hinein schauen und sich Geschichten zu den zukünftigen Besitzern ausdenken. Man kann das eigene Repertoir bezüglich Umgang mit Krisensituationen beträchtlich erweitern und in Ruhe sein Portemonnaie sortieren. Eingerahmt von weiteren Schlangenstellern kommt einem auch endlich wieder in den Sinn, was man eigentlich nicht vergessen wollte, einzukaufen, was aber trotzdem in den Regalen geblieben ist. Gerade hatte ich wieder so ein Erleuchtungserlebnis gehabt und meine charmante Tochter auf den Weg geschickt, um die in den Regalen traurig vergessenen Produkte zu holen, als ich merkte, dass eine kleine Lady gedankenverloren mit einer Trophäe in meinem Einkaufsawagen spielte – ihre zarten Fingerchen fuhren liebevoll über die Glitzerperlen eines weinroten Weihnachtstischläufers, den meine Tochter als Dekoration für den Weihnachtstisch ausgesucht hatte. Ihre Mutter rief sie sanft zurück, indem sie erklärte, dass der Wagen meiner sei. Unsere Blicke begegneten sich. Die kleine Lady hatte dunkelblone lange Haare, nicht üppig, aber in sanften Wellen fallend. Sie war burschikos angezogen, in Grün-, Beige- und Brauntönen; ich glaube, irgendwo waren auch Fransen daran. Der Blick war klar, wie einer dieser Seen, denen man unverhofft nach einem langen Gedankenritt durch die Montanalandschaft begegnet. Sie strich kurz über meine auf dem Wagen liegende Hand – ich hatte ihn seitlich gestellt, damit sie besser in den Wagen schauen konnte. Wir fingen an, uns zu necken, zogen die Finger weg und legten sie aneinander. ‚Prinzessin‘. sagte ich, mehr zu mir, als Feststellung. (So etwas sage ich sonst nie, wirklich) Die Eltern schauten ein wenig erstaunt, mit freundlicher Neugierde, unserer wortlosen Kommunikation zu. Sie waren gekleidet wie seinerzeit die Hippies, aber gepflegter, und ohne den haschverklarten Blick – sympathisch. Nevada (sie war es – beweis mir das Gegenteil; nur Nevada besitzt als kleines Mädchen diese innere Unabhängigkeit) wandte sich der Süssigkeitenauslage zu und betastete eine Tüte mit rosa Zuckerzeug. ‚Es ist die Farbe‘, erklärte ich den Eltern. Sie nickten zustimmend, erklärten, sie hätten versucht, ihre Tochter nicht in Klischees zu pressen. Die Farbe Rosa hätte es in ihrem Haus nicht gegeben. Die ersten zwei Jahre sei alles gut gegangen. Das Kind habe gerne mit Autos gespielt. Und plötzlich – sie wüssten gar nicht, warum, hätte alles rosa sein müssen…Nevada zwängelte nicht nach den Süssigkeiten. Sie hatte ihr Interesse längst wieder verloren, denn ihr Vater hatte ihr angeboten, weiter vorne etwas anzuschauen. Sie ging mit ihm. Als ich schliesslich durch die Kasse durch war, schaute ich noch einmal zu der kleinen Lady. Sie winkte mir von weitem zum Abschied zu.

    Nevada ist eine erwachsene Frau, in deinem Buch? Ein Montagskind? Kein Problem. Es gibt Zeitsprünge. Sie ermöglichen es jeder Figur, beliebig vor oder zurück zu springen…Ich werde jedenfalls schauen, ob ich ihr in deinem neuen Buch wieder begegne, und was aus ihr geworden ist.

    Herzlich
    Isabel

    P.S.: Ich schwöre es: Dieser Blog macht süchtig!

    • Milena Moser meint

      @ Isabel: Gott, wie grossartig! Aber nein, das war nicht Nevada. Sie war kein unabhängiges Kind. Und – interessant: ich weiss gar nicht genau, wie sie aussieht… Diese Prinzessin will eindeutig zu dir – in deine nächste Geschichte?

    • Isabel meint

      Ich erinnere mich an eine quirlige Schriftsatellerin mit umwerfendem Lachen, die sagte, man solle bei einer Geschichte bleiben und nicht immer neue anfangen…und ich habe schon zwei angefangene…muss die kleine Lady sich eben noch gedulden…

    • Milena Moser meint

      @ Isabel: Waaas, du bist noch nicht fertig? just kidding. Ja, ich meinte natürlich, im nächsten Roman, in der nächsten Geschichte wird die Prinzessin auftauchen, so fäng es manchmal an…

  2. Karin Braun meint

    Wo die Figuren und ihre Geschichten herkommen frage ich mich auch immer. Bei Martin, der bei IKEA einzieht, war es noch klar (Exmann No. 1 Soziopath), aber wie ich jemals auf das Amt für finale Lebensfragen gekommen bin, ist mir ein Rätsel.
    Ich freue mich immer sehr auf deine Bücher. Auch auf Nevada. Im Moment höre ich gerade gegen Abend beim Stricken „Möchtegern“. Die Frau Mein ist mir recht nahe, in ihrem Wunsch alleine zu sein. Alles Liebe Karin

  3. Gise Kayser-Gantner meint

    … also, jetzt wird’s unheimlich, Milena, da habe ich gestern den ersten Teil beendet, u.a. mit Zeilen wie dieser „…und sah nichts als meinen Arm. Leicht bronzefarben, mit zarten goldenen Häärchen. Die sich in einer kleinen Gänsehaut aufrichteten. …“ (kein Feuerwehrauto mehr im Unterarm …)
    Ich weiß ja, dass alles im Äther rumschwirrt und man sich was rausgreift. Aber nahezu identische Bilder? Wohin soll das nur führen?
    Schöne Ferien!

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