Dezember ist der neue November.

bw_writingAnders gesagt, der November ist vergangen, der halbe Dezember auch schon. Während des offiziellen National Novel Writing Month blieb meine Wortzahl beschämend tief, jetzt steigt sie wieder stetig: Jeder Monat ist Roman-Schreib-Monat. Ich lebe in dieser Zwischenwelt, in der sich meine Figuren ebenso selbstverständlich bewegen wie meine Freunde aus Fleisch und Blut. Im Moment nehmen die Figuren sogar eher mehr Platz ein als „richtige“ Menschen, „echte“ Menschen, Ich benutze Anführungs- und Schlusszeichen, weil mir noch nie wirklich klar war, wo diese Grenze verläuft. Zwischen der Realität und der Imagination. Wenn es sie überhaupt gibt, ist sie flexibel.

In Santa Fe lebe ich nicht nur mitten in der Landschaft, in der die Geschichte spielt – oder wenigstens ihr erster Teil. Ich atme dieselbe dünne Luft wie meine Figuren, ich schaue in den selben strahlend blauen Himmel, ich kneife die Augen zum Schutz vor derselben grellen Sonne zusammen. Ich rieche denselben spezifischen Winterduft wie sie, der Geruch von verbranntem Pinienholz aus hunderten von Kaminen. Ich lebe hier auch relativ zurückgezogen. Meine Figuren haben Platz. Und sie nehmen sich diesen Platz.

So verbringe ich meine Tage dort, wo ich am liebsten bin: Am Schreibtisch. Am Schreibtisch, den ich selber gebastelt habe. Aus einer alten Türe. Genau genommen habe ich die T¨ür einfach abgeschliffen, ein paar Trockenblumen in die Vertiefungen und eine Glasplatte über alles gelegt. Kein wirkliches Meisterwerk. Trotz kam die alte Türe mit, von San Francisco in die Schweiz und wieder zurück nach Santa Fe. Kein anderes Möbelstück, kein Deisgnerstuhl, kein Erbstück hat die Reise gemacht. „Du weisst schon, dass wir hier auch Türen haben?“, fragt Victor vorsichtig nach.

Nicht diese: Nicht diese Tür in meine Parallelwelt, die ich erst noch selber gebastelt habe.

Manchmal schaue ich auf und stelle erstaunt fest, dass ich im Auge des Orkans sitze. Rund um mich herum nimmt die Hektik zu, die Spannung steigt, die Stimmung ist gespannt. Was ist denn los, denke ich und dann fällt es mir wieder ein: die Feiertage!

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich keinen Plan für Weihnachten. Kann sein, dass ich Besuch bekomme. Kann aber auch nicht sein. Kann sein, dass ich eine Einladung annehme, kann aber auch nicht sein. Die ganze Stadt feiert freundlicherweise direkt vor meiner Haustür, ich kann sie öffnen, diese Tür und mitfeiern – oder nicht. Ich kann die andere Tür öffnen, meine Schreibtischtür.IMG_0164

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5 Kommentare

Kommentare

  1. Ruth meint

    Liebe Milena
    Auch wenn du dieses Jahr keinen Plan für Weihnachten hast, wünsche ich dir schöne besinnliche Festtage, mit viel Wärme im Herzen und mit deinen lieben Menschen in Santa Fe. Ruth
    .

  2. regenfrau meint

    Liebe Milena,
    ich wünsche dir wunderbarliche und genussvolle Feiertage, ganz „wurscht“, wie du sie verbringen magst! :)
    Die Schreibtisch-Tür fasziniert mich. Öffnen sich dadurch auch die Türen in andere Welten? Zu deinen Romanfiguren und Geschichten? Schön, dass dir dieses Stück geblieben ist!
    Einen herzlichen Gruß in den Westen, sendet dir Doris

  3. Mr Hans Alfred meint

    Ich habe auch keine Pläne für diese Weihnacht, doch für den 24sten eine Einladung um 18 Uhr, aber Bücher habe ich, jede Menge. Sonst geht’s soweit ganz gut, mir.
    Hiermit will ich mich für den Blog vom 10. Dezember 2015 bedanken, und sind die Wände wirklich so dicht, dass Dich das Festgetriebe vor Deinem Haus nicht stört? Hängst Du wieder die Herzen auf wie letzte Weihnachten?
    Ich war ja nicht dabei, oder doch? Nein, aber Dein Buch DAS GLÜCK SIEHT IMMER ANDERS AUS hatte ich gelesen, also war ich doch dabei, und zwar ganz nahe. Trotz meines Hörgerätes im linken Ohr höre ich immer noch den Sand in die Papiertüten rieseln in den dann eine Kerze gesteckt wird um eine richtig romantische Festbeleuchtung zu machen.
    Irgend wie habe ich das Gefühl, dass Du Dich etwas verlassen fühlst über die Festtage dieses Jahr, aber Du hast Deine Gesellschaft die Du via Türe immer zu Dir rufen kannst, und eines Tages wissen wir auch Bescheid, in Deinem neuen Buch wird es mir gefallen die Leute zu erkennen, inzwischen hoffe ich, dass ich diese Festtage bald hinter mir habe.
    Frohe Tage auch für Dich liebe Milena, HANS

    • winiger liliane meint

      liebe milena,lieber hans .
      milena,als ich deine zeilen las,bin gerade wieder 16 jahre alt geworden. bin heute 64..
      wollte immer bücher schreiben,und habe als kind viiiel gelesen.heute habe ich ein büchergestell mit sicher über 200 büchern.von frisch über mann, schweizer,kafka,sartre,zweifel….usw–
      aber kein einziges buch von milena…mus ich mir noch dieses jahr kaufen..
      hans,ich bin auch froh,wenn die festtage vorbei sind..aber ist es nicht das privileg vom alter..- man muss nicht mehr müssen..-?
      ich will dieses jahr keine weihnacht feiern,,weil diese,unsere welt nicht in diese friedliche zeit passt..für mich..
      wünsche euch beiden ein gutes 2016 mit vielen büchern..ln.liliane

    • Milena Moser meint

      Interessant – ich empfinde es eher als Erleichterung – keinen Plan zu haben, viele Möglichkeiten aber keine Verpflichtungen. Das ist vollkommen neu und ungewohnt. Und es gefällt mir! Und Hans: Ja, die Wände sind sehr dick!

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