Zeitverschiebung.

FotoWas habe ich erwartet? Dass die Welt untergeht, nur weil ich einen Blogeintrag auslasse? Dass die Kirchenglocken nicht aufhören zu läuten und der Nachrichtensprecher sich mitten im Satz unterbricht: „Es ist Sonntag und Milena hat nicht geliefert?“

Letzten Sonntag sass ich mit Katchie Ananda beim Frühstück auf meiner Terrasse. Am Samstag hatten wir einen unserer gemeinsamen Workshops geleitet, „Chili & Chocolate“, Schreiben und Yoga. Für zwei Teilnehmer war es die erste Yogastunde, die Katchie sehr sanft und fürsorglich gestaltete. Die beiden machten sich prima. Die einzige, die immer wie eine tote Fliege auf der Matte lag, war ich. „Und dann legt euch hin“, sagte Katchie. „Oh, Milena liegt schon!“ Warum ich schon wieder so müde war, ich weiss es nicht. Jedenfalls waren wir beide froh, den zweiten Kurs am Sonntag gestrichen zu haben. Wir sassen auf der Terrasse und redeten und dann musste sie zum Zug und ich das Abendessen vorbereiten. Ich hatte Besuch, wir redeten bis spät in die Nacht, keine Sekunde dachte ich daran, dass Sonntag war. Blogtag. Seit… zwei Jahren? Drei? Zum ersten Mal habe ich am Sonntag nicht Rechenschaft abgelegt. Und? Und nichts.

Anyway: Eine Woche später, siehe Bild, liege ich auf Katchies Terrasse in der Hängematte und trinke, was sie beharrlich Pink Wine nennt. „Pink Wine makes you happy!“ Indeed. Das sieht man alles nicht, weil ich keine besonders gute Fotografin bin, aber so war’s. Das müsst ihr mir jetzt einfach glauben. Die Berge, die wie aus Papier ausgeschnitten den Horizont verbrämen, färbten sich blau, Wir füllten unsere Gläser nach. Eigentlich wollten wir ja arbeiten. Wir wollten einen Plan machen, einen strikten und total durchstruktierten Plan für die nächsten paar Wochen. Für unser privates „Writer’s Boot Camp“, unser Schreibtrainingslager. (Ja, Freunde, Katchies Buch nimmt Form an!) Wir beide haben Deadlines vor der Nase, die bedrohlich näher rücken. Und das in einer Geschwindigkeit, die wir uns logisch nicht erklären können. Die Zeit löst sich unter unseren Fingern auf, rieselt zwischen die Tasten, ist weg. Wir dividieren Tage durch Seiten und schauen uns an: Ist das zu schaffen? Zusammen kriegen wir das schon hin, reden wir uns ein. So lange ich in Santa Fe bin, wollen wir uns jeden Tag zum Schreiben treffen. Zwei Stunden, in denen wir nichts anderes machen. Nicht reden, keinen Pink Wine trinken, nein auch nicht ausreiten oder schwimmen oder in die Berge fahren oder auf der Plaza tanzen oder oh! in den heissen Quellen sitzen. Auch nicht die legendäre Freiluftoper besuchen. Oder an einen sagenumwobenen Ort fahren, der tatschlich „Truth Or Consequences“ heisst, Wahrheit oder Konsequenzen! Was einem an diesem Ort wohl erwartet? Die Erleuchtung? Das alles haben wir auch vor während meines nicht endlosen Aufenthalts, aber eben: Erst wird geschrieben. Knallhart. Da sind wir uns einig. Nur: Katchie schreibt am besten nachmittags, nachdem sie alles erledigt hat, was sie erledigen muss. Und ich frühmorgens, bevor ich alles erledige, was ich….

Wir schauen uns an: Wahrheit UND Konsequenzen.

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4 Kommentare

Kommentare

  1. Hans Alfred Löffler meint

    noch etwas von ausserhalb der Fussball-WM: 4. Juli 2014

    Man sollte sich Amerika anschauen, von den Great Plains des Mittleren Westens über die Wüsten und Schluchten des Grand Canyon bis zu den Muscle Beaches von Miami, Santa Monica und Venice. Ich kann Ihnen diverse Sachen nur dringend ans Herz legen: Reiten Sie durch das texanische Hochland, füttern Sie Stingrays in Galveston, gehen Sie Schnorcheln auf Hawaii; besuchen Sie das Grand Ole Opry in Nashville und den Arch von St. Louis und ein Lokal namens «Berlin» in Chicago, wo ich das letzte Mal ein Künstlerin namens Trannika Rex auftreten sah, die diesem Namen alle Ehre machte. Reisen Sie nach Denver und Albuquerque, nach Kansas, Memphis, Houston, Dallas und Fort Worth. Sowie nach Phoenix, wo ich beim Besuch von Stacy’s BBQ den Chef so fasziniert ansah, dass dieser fragte: «What? You don’t have any black people in Switzerland?»

    Quelle: vergessen aber schmackhaft …… yummy!

    • Hans Alfred Löffler meint

      Es gibt auch ein Buch welches heisst „Mut und Konsequenzen“ über das ich in einem anderen Buch – nur English – gelesen hatte:
      »If Karl Rove’s book can be called COURAGE AND CONSEQUENCES, what on earth does it matter what my book is called.» (page 256 „CONTENTS MAY HAVE SHIFTED. A NOVEL by Pam Houston).
      Meine Bemerkung scheint im Blog-Zusammenhang nicht wichtig zu sein, aber es zeigt doch wie wichtig ein Titel für ein Buch schlussendlich ist. Und weshalb weshalb ein Titel in deutscher Sprache nicht einfach „wörtlich“ übersetzt werden kann.

  2. Regula Horlacher meint

    Gestern habe ich mich für einen Bekannten, der seine Geschichte in Buchform bringen will und dafür Hilfe braucht, ein wenig auf den Websides von Schriftsteller-Kolleginnen umgesehen, die solche Dienstleistungen anbieten. Dabei bin ich bei Sabina Haas auf einen Blog-Input gestossen, den ich sehr interessant fand. Sie schreibt über einen Film, in dem ein Mann plötzlich merkt, dass er die Hauptperson im Roman einer Schriftstellerin ist. Dann verfolgt sie den Gedanken weiter: Sie stellt sich vor, wie es wäre, wenn wir alle so eine Hauptfigur wären, jede mit ihrem eigenen Schriftsteller …
    Ja – wie wäre es, wenn jeder seinen eigenen Schriftsteller hätte? Mich hat diese Idee nachdenklich gemacht. Sabina schreibt anschaulich vom Aufbegehren gegen das Schicksal, weil man ja selbst, im Gegensatz zum Schriftsteller, nicht in die Zukunft blicken kann, und deshalb nichts weiss von den Chancen, die sie noch für einen bereithält. Und dass sich diese Chancen erst zeigen können, wenn man gegen seinen Schriftsteller zu kämpfen aufhört, also, wenn man sein Schicksal annimmt.
    Sein Schicksal annehmen – das ist schwer. Vor allem, wenn sich, trotz aller Ergebenheit dem Schriftsteller gegenüber, nicht die Spur einer Chance zeigt. Wenn man sozusagen im Gänseschritt blind bergaufgeht …
    Andrerseits – wenn ich beispielsweise bedenke, mir würde eine Deadline im Nacken sitzen! Ich hätte noch genau, sagen wir, bis Ende Jahr Zeit, um meinen Roman fertigzuschreiben. Weil ich nämlich bereits den Verlagsvertrag in der Tasche hätte. Was ich mir ja an sich sehnlichst wünsche. Mich aber gleichzeitig vor den Bedingungen fürchte …
    Ja, wenn ich mir das so überlege, muss ich mir eingestehen, dass der Gänseschritt wohl doch das angemessene Tempo ist für mein Vorwärtskommen.
    Aber ich finde es trotzdem unmöglich, dass ich so viel Zeit brauche!!

    Früher, als ich noch Kinder zu betreuen, einen aufwändigen Haushalt zu führen, Ehrenämter zu versehen hatte, war ich dauernd am Planen. Ich plante Wochen- und Tagesabläufe und bereitete Kindergeburtstagspartys, Kaffeehaus-Konzerte des Frauenchors und Voten, die ich in der Kirchenpflege-Sitzung vorzubringen gedachte, gleichermassen minutiös genau vor. Ich wusste bereits am Montag, was wir am Freitag essen würden, damit ich nur einmal in der Woche einkaufen gehen musste. Diese Planwirtschaft war weder bei meiner Familie noch bei den Menschen, mit denen ich in meinen Ehrenämtern zusammenkam, besonders beliebt. Und mir selber war es peinlich, dass ich so schwerfällig war, so wenig flexibel. Heute weiss ich, dass mir diese Planerei den Freiraum verschaffte, ohne den ich vermutlich untergegangen wäre. Sie war mir Stützkorsett und Schutzpanzer zugleich. Sie verhalf mir zu Gedankenfreiheit, während ich Routinearbeiten verrichtete, und hielt mir noch mehr fremde Ansprüche vom Leib, als es ohnehin schon waren. Sie gab dem blinden Bergauftappen einen Schimmer von Selbstbehauptung.

    Jetzt muss ich keine Pläne mehr machen.
    Ich bin so frei, wie ein Mensch es nur sein kann. Beinahe klösterlich.
    Dass es gut tut, die Gebetszeiten einzuhalten, habe ich von Navid Kermani* gelernt. Man braucht dafür nicht unbedingt Muslime zu werden. Man kann einfach mal damit anfangen. Zum Beispiel nachts um zehn vor dem Einschlafen.
    Also – was ich eigentlich sagen will: Ich glaube, es wäre nun an der Zeit für ein Wunder. Oder wenigstens für eine Chance. Es muss ja nicht unbedingt gleich ein Verlagsvertrag sein.

    *Navid Kermani/Dein Name/Hanserverlag 2011

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